We need to talk about Kevin – Interpretation

Der Film beginnt mit einem Vorgriff auf die entscheidende Szene des Films. Man sieht einen weißen wehenden Vorhang. Das Bild wird immer größer und mit ihm wird das Geräusch des Rasensprenglers immer lauter. Es ist die Szene, die Eva nicht mehr loslässt. Das Geräusch wird in zwei weiteren Szenen nochmal aufgegriffen. Einmal als Kevin ihr ganz persönliches Zimmer mit seiner Wasserpistole einfärbt und als er mit dem neuen Bogen trainiert. Die Anfangsszene wird mit einem weißen Licht überblendet in das Tomatenfest, das sie komplett in rot hüllt. Die Farbe weiß steht wohl für die Unschuld und das Rot symbolisiert das Blut, aber auch die Farbe der Schande. Sie wacht auf und ihr ganzes Haus ist in dieses Rot gehüllt. Ein Rot dass sie auch mit den mächtigsten Werkzeugen nicht mehr weiß bekommt. Es ist dieser Wunsch, der sie umfasst. Sie will das schreckliche Erlebnis ungeschehen machen, aber sie kann nicht wieder zurück. Niemand kann das. Aber in ihrem Verhalten wird ganz deutlich, dass sie sich daran gewöhnt hat. Sie wird von einer Frau auf der Straße geschlagen, aber sie wehrt sich nicht. Sie sagt sogar, dass sie Schuld ist. Hier schweifen ihre Gedanken ab: Ist sie eine Rabenmutter? War es falsch dass sie ihn z.B. neben den lauten Baulärm gestellt hat, nur damit sie sein Schreien nicht mehr ertragen musste? Hier wird aber noch etwas ganz anderes deutlich. Sie war sich nie sicher ob sie den Jungen haben will. Viel lieber würde sie reisen, fremde Länder entdecken. In der Nacht in der Kevin gezeugt wird, fragt ihr Mann ob sie sich wirklich sicher ist. Sie antwortet nicht. Erst jetzt wird gezeigt, dass nicht sie ein Verbrechen begannen hat, sondern ihr Sohn. Vorher war man sich dessen nicht sicher. Dadurch wurde sie nicht automatisch in die Opferrolle gedrängt. Es ist ein Film über ihr Leben und ihre Sicht der Dinge. Dadurch liegen die Sympathien auf ihrer Seite. Dies darf sie aber nicht davor bewahren vom Zuschauer kritisch betrachtet zu werden. Es scheint den ganzen Film als ob die Tatsache, dass sie einen Sohn bekommen hat, sie in eine tiefe Depression gestürzt hat. Der Vater beginnt den Sohn zu verteidigen, da er ja nichts dafür kann. Dies entwickelt sich aber mit der Zeit so, dass der Vater ihm alles verzeihen kann, während die Mutter immer nur das schlechte in ihm sieht. Dabei ist es der Vater, der immer unterwegs ist. Er ist nur zwischendurch dort und nutzt die Situationen, um Spaß zu haben. Das sieht man z.B. in der Szene in der er den kleinen Kevin in den Arm nimmt, während seine Frau erschöpft versucht den Jungen schlafen zu lassen. Der Vater ist es, der immer wegguckt. Dadurch schafft er es, dass der Junge ihn völlig anders behandelt als seine Mutter. Man muss aber immer beachten, dass alles nur ihre Gedanken sind. Es ist nie sicher, dass sich die Situationen genau so abgespielt haben. Vielleicht hat der Junge den Vater anders behandelt, aber er muss nicht im selben Moment die Mutter böse angucken, während er den Vater anlächelt. So etwas tun Kinder nicht. Trotzdem entwickelt der Junge die Fähigkeit seine Eltern zu beeinflussen. Er bekommt immer das was er will. Dazu nimmt er sogar seine Mutter in Schutz als sie ihn am Arm verletzt. Diese Szene wird von Kevin im Gefängnis als die einzige Situation wahrgenommen in der seine Mutter ehrlich zu ihm war. Diese Aussage sagt sehr viel über das Verhältnis der beiden zueinander aus. Er denkt sie würde ihn hassen. Sie dagegen scheint immer sehr bemüht die eigene Depression nicht auf den Jungen zu übertragen. Letztendlich scheint es aber so, dass die beiden nie wirklich darüber geredet haben. Es ist dieses Nicht-Reden das die ganze Beziehung in der Familie auszeichnet. Der Vater ist dafür da Wünsche zu erfüllen und zu spielen. Die Mutter wünscht sich das selbe und schweigt deshalb lieber anstatt zu kritisieren. Doch genau deshalb wird sie immer wieder wütend. Es sind die Worte die sich aufstauen und dann nur in Zorn zum Vorschein kommen. Kevin ist seiner Mutter Eva sehr ähnlich. Beide scheinen Außenseiter zu sein, die keine Freunde haben. Beide haben tiefgreifende Wünsche, die sich nicht erfüllen. Aber keiner von beiden tut wirklich etwas dagegen. Man erfährt nichts über die Absichten des Jungen. Er sagt nur einmal, dass der Grund für sein Handeln der folgende ist: Es gibt keinen Grund. Er will nicht berechenbar sein. Er will einzigartig sein. Nur in einer Szene kommen sich Mutter und Sohn näher. Sie liest ihm aus dem Buch „Robin Hood“ vor als er krank ist. Es ist ein Moment der Verletztlichkeit. Ein Moment in der der Sohn sich entscheidet das Angebot der Mutter anzunehmen. Doch letztendlich rächt er sich wieder bei ihr, indem er genau das zentrale Motiv, das Bogenschießen, benutzt, um seine Mutter auf ewig zu zeichnen. Am Ende sagt er, er wusste einmal, warum er so handelt, aber nun ist er sich nicht mehr so sicher. Hier wird deutlich, dass er doch kein Monster ist. Er wirkt schwach und unsicher. Nicht so wie es vorher immer der Fall war. Er wollte dass seine Mutter Schmerzen erleidet, aber hier scheint er zu merken, dass ihm das nicht die nötige Befriedigung verschafft hat. Es waren ganz andere Probleme, die gar nicht zur Sprache kommen, die ihn zu dem machten, der er wurde. Ich sehe den Film als ein Plädoyer miteinander über seine Probleme zu reden. Aufeinander zuzugehen und sich nicht durch Gewalt oder Ignoranz voneinander abzuwenden. Hier trifft auch der Titel dieses Motiv: We need to talk – wir müssen reden. Der Film verweigert sich dem Urteil, ob Kevin nun ein radikal böses Kind ist oder ob Eva eine Rabenmutter ist. Er bietet nur viel Diskussionsstoff. Nächste Woche schauen wir uns an, was Kevin wohl so sehr am Bogenschießen fasziniert haben könnte indem wir seine Lieblingsgeschichte analysieren: Die Abenteuer des Robin Hood.

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